Mundus bracatus? Nein danke!
Plädoyer wider den Hosenzwang

Von Michael A. Schmiedel

 

 

Für Klamotten habe ich mich eigentlich nie interessiert, und das, obwohl meine Mutter gelernte Schneiderin ist. Oder vielleicht gar deswegen? Wie dem auch sei, so hat mich doch nun ein Klamottenthema bzw. – wem das lieber ist – ein Kleidungs- oder Modethema leidenschaftlich gepackt. Ich könnte jetzt biographisch fortfahren und erzählen, wie ich denn dazu kam, aber ich rolle die Angelegenheit lieber mal kulturgeschichtlich auf:

Zu Zeiten, als das Imperium Romanum das Mittelmeer und auch einige Teile des nördlichen der Alpen gelegenen Europas beherrschte, galten Hosen als ethnospezifische Kleidung einiger barbarischer Völker, so z.B. der Gallier, so daß der Teil Galliens, den die Römer "Gallia Narbonensis" nannten, auch "Gallia bracata", "behostes Gallien" genannt wurde. Der Mann von Welt aber, also der Römer, der Grieche und auch der Ägypter trug Röcke oder Kleider. Wenn heute ein Mann im Rock oder Kleid statt behost in die Öffentlichkeit geht – auch wenn er es in Rom, Athen oder Kairo tut -, läuft er in Gefahr, als Transvestit oder als Schwuler – wobei sich viele gar nicht die Mühe machen, das eine vom anderen zu unterscheiden - beurteilt zu werden. Zwei Fragen kommen mir bei dieser Beobachtung in den Sinn: 1. Wie kam es zu dieser merkwürdigen Entwicklung? 2. Ist diese Entwicklung begrüßenswert oder sollte man sie wieder überwinden?

Bevor ich den beiden Fragen nachgehe, seien ein Paar Begriffe definiert: Obwohl eine Hose eigentlich eine Röhre ist, wie man es bei dem Wort "Windhose" noch sehen kann, bezeichne ich als Hose das zweiröhrige Beinkleid, bei welchem jedes Bein des Trägers in einer eigenen Stoffröhre steckt und unterlasse die recht umständliche Benennung "ein Paar Hosen". Als Rock bezeichne ich hier das einröhrige Beinkleid, bei welchem beide Beine gemeinsam in einer Stoffröhre stecken. Die Bezeichnung "Rock" für eine langschößige Jacke wie beim Wort "Gehrock" lasse ich hier außer Acht. Als Kleid bezeichne ich nicht jedes Kleidungsstück, was man durchaus machen kann, sondern einen Rock mit Oberteil, und als Overall eine Hose mit Oberteil.

Kommen wir zu ersten Frage. Da ist ein kulturgeschichtlicher Überblick von Nöten:

Als wir Menschen anfingen, Kleidung zu tragen, bestand diese zuerst aus Fellen, Leder, Pflanzenfasern und anderen Stoffen, die man als Jäger und Sammler so auftreiben konnte. Mit Entwicklung der Landwirtschaft, kam auch die Verwendung von Wolle und Leinen auf. Da alles einfach anfängt, war auch die Kleidung zunächst einfach. Je nach Klimazone verwendete man mehr oder weniger Material, und wo es notwendig war, mehr als nur die Scham zu bedecken, tat man dies mit langen Gewändern, Mänteln oder Kleidern, drei Worten, die eigentlich das gleiche meinen, nämlich Röcke mit Oberteil. Das Oberteil konnte man auch weglassen oder gesondert herstellen. Im Laufe der Zeit wurden diese Kleider und Röcke aufwendiger, formen- und farbenreicher, man fand auch Möglichkeiten, sie gesellschaftsschichts- oder geschlechtsspezifisch zu schneidern oder mit Assecoires zu versehen. Auf diese Weise entstanden weltweit sehr unterschiedliche Modelle, und die Menschen der Hochkulturen kamen sehr gut mit Röcken und Kleidern zurecht, ohne jemals eine Hose gesehen, geschweige denn getragen zu haben.

Die Skythen, ein nordiranisches Reitervolk, fanden nun aber anscheinend das Reiten im Rock als unbequem und dachten sich wohl, es sei besser, wenn jedes Bein und auch das Gesäß gegen das Scheuern durch den Pferderücken geschützt würde, und da sie nicht auf den Kopf gefallen waren – sonst hätten sie vielleicht den Helm erfunden – erfanden sie die Hose. Diese eignete sich nun aber nicht nur zum Reiten besser als der Rock, sondern auch zum Kämpfen und zu manch anderer körperlicher Arbeit und hielt obendrein auch wärmer, wenn die Winterstürme über die Steppe wehten. Türken, Kelten und Germanen übernahmen die Hose von den Skythen - auf welchen Umwegen auch immer - und auch bis China verbreitete sich das praktische Kleidungsstück. Nur die Anrainer des Mittelmeers konnten sich, wie schon erwähnt, nicht für die Hose begeistern, ganz zu schweigen von den Völkern, die erst Jahrhunderte später Kunde von der skythischen Erfindung erhielten.

Viel mehr war es so, daß die Kelten und Germanen sehr gerne auch die römische Tunica trugen. Es galt damals wie heute: Wer die politische, wirtschaftliche und/oder militärische Macht hat, bestimmt die Mode der Massen. Und so erklärt sich auch der Umschwung hin zur Hose, denn der Adel im mittelalterlichen Europa wußte die Hose als ritterliches Kleidungsstück alsbald wieder zu schätzen, aus den selben Gründen wie einst die Skythen. Der Ritter, also der berittene Krieger, galt bald als der Inbegriff der Männlichkeit, so daß seine Kleidung – nicht unbedingt die Rüstung, aber z.B. die Hose – auch von weniger ritterlichen Mannsbildern gerne getragen wurde. Trotzdem hielt sich die Tunica oder ähnliche Kleider und Röcke noch lange in der männlichen Garderobe. Ich habe auf einer Burg mal eine Rüstung mit einem weißen Faltenrock gesehen, nicht unähnlich einem heutigen Tennisrock. Doch irgendwie kamen die Männer darauf, ihre Männlichkeit immer vorzeigbar haben zu wollen. So entwickelten sich so im 16. Jh. Hosen, die das männliche Gemächte herrlich präsentierten, sehr zum Unwillen der konservativen Moralapostel, die von Hosenteufeln und ähnlichem zeterten. Ihr Gezeter half nichts, die Hose setze zum Siegeszug an und verdrängte im Laufe der Jahrhunderte – ja es ging recht langsam vor sich – den Rock und das Kleid in die geographischen und gesellschaftlichen Randbereiche, also in die Trachtengarderobe z.B. der Schotten, in einzelne Berufsgarderoben, z.B. der Kleriker und Juristen und in die Garderobe der Frauen. Bei Juristen und Priestern symbolisierte die Robe, das Habit, der Talar staatliche bzw. religiöse Würde und betonten, daß sie nicht zur kämpfenden Gesellschaftsschicht gehörten, bei Mönchen symbolisierte die Kutte Armut und Demut, bei Frauen das Kleid ihre niedrigere Stellung in der Gesellschaft und ihre Pflicht, sich für die Männer herauszuputzen und zu schmücken. Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im 19. Jh., als in Folge der französischen Revolution die barocke Pracht höfischer Kleidung als dekadent, verweichlicht und weibisch empfunden wurde. Die noch bis in die 60er Jahre des 20. Jh. geltende Kleidungsordnung, nämlich daß Jungen und Männer Hosen, kurze Haare und möglichst keinen Schmuck, Mädchen und Frauen Röcke, lange Haare und Schmuck zu tragen haben, hatte sich etabliert. Und im Laufe des europäischen Kolonialismus und Wirtschaftsimperialismus drängte die Hose sich auch in die Kleidungsgebräuche bis dato unbehoster Völker Afrikas, Asiens, Australiens, Ozeaniens und Amerikas hinein. In Sri Lanka z.B. tragen Männer nach wie vor Sarongs, aber die Hose hat für die gesellschaftlich höher stehenden Männer in Wirtschaft, Politik und Verwaltung einen höheren Stellenwert und symbolisiert ihren höheren Rang, stehen sie doch für westliche Macht und sind teurer als Sarongs. In Europa sind es noch die Schotten, die den Kilt als nationales Symbol hochhalten – bisweilen im wahrsten Sinne des Wortes zur Blamierung der Engländer, wie man in einer Szene in "Braveheart" schön sehen kann – und die griechischen Gardesoldaten, die noch echte Röcke tragen, wobei die armen Griechen aber viel zu warme Strumpfhosen darunter tragen müssen (Bild rechts: Fustanella, griechischer Männerrock). Kleriker und Juristen tragen nun auch Hosen unter ihren Kleidern, denn auch sie hat das Sprichwort vom "die Hosen anhaben" infiziert, was soviel bedeutet wie "die Befehlsgewalt haben". Zudem kommt noch eine zugleich verklemmte und sexistische Einstellung der Sexualität gegenüber, die Männer dazu bringt, durch die Hose ihr Mannsein immer und überall betonen und zugleich möglichst unauffällig in der Menge untertauchen zu wollen. Der Rock gilt vielen als Ausdruck der Weiblichkeit und die Hose als Symbol der Männlichkeit, aber während Frauen es schon längst überwunden haben, ihr Frausein ständig betonen zu müssen, kleben viele Männer immer noch krampfhaft an einer dubiosen Vorstellung von Manneswürde, der sie glauben nur in Hosen gerecht werden zu können. In China war es übrigens lange anders: Die gesellschaftlich über den Kriegern stehenden Hofbeamten trugen noch lange Kleider und überließen die Hosen den Kriegern, Bauern und Frauen, was sich erst mit der kommunistischen Revolution änderte.

Vom 18. bis zum 20. Jh. revoltierte bekanntlich so mancher gegen alte Werte. Und so wollten es auch die Frauen nicht auf sich sitzen lassen, gesellschaftlich benachteiligt und zum Tragen der Röcke gezwungen zu sein. Sie erkämpften sich tapfer, was heute normal und vielen Frauen keines Nachdenkens mehr wert ist. Den ersten Frauen die es wagten, in Hosen in der Öffentlichkeit zu erscheinen konnte es passieren, daß sie eingesperrt wurden, daß ihnen der erboste Pöbel die Hose vom Leibe riß, daß sie in den Zeitungen verbal an den Pranger gestellt wurden, daß sie als Mannweiber beschimpft wurden. Im II. Weltkrieg trugen Soldatinnen des öfteren Hosen, weil sie praktischer waren, aber das war eine Ausnahme. Marika Röck auf der Bühne war eine andere. Meine Urgroßmutter auf dem Fahrrad noch eine andere (übrigens schon in den 20ern). Aber so richtig setzte sich die Hose für Mädchen und Frauen wohl erst nach den 1968er Revolten durch, zur gleichen Zeit, da auch Männer wieder gelegentlich lange Haare trugen. Und heute sieht man bei einem Gang durch eine beliebige Stadt oder irgendein Dorf mehr Weiblein im zwei- als im einröhrigen Beinkleid. Die Frauen haben sich, zumindest in der Kleidung, emanzipiert und sind in ihrem Verhalten oft emanzipierter als wir Männer.

So sind wir nun kulturgeschichtlich am Status quo angelangt, an welchem die ganze Welt ein Mundus bracatus ist, eine behoste Welt. Aber es regt sich Widerstand, zaghaft noch, ein wenig ängstlich und vorsichtig, aber doch vorhanden. Ist die Frage nach dem Verlauf der bisherigen Entwicklung nun deskriptiv beantwortet, so frage ich nun normativ: Muß das so bleiben oder sollte man es nicht anders weiter entwickeln?

Ich sprach vom Widerstand gegen die Weltbehosung. Wie sieht dieser aus? Jetzt werde ich doch mal biographisch: Schon als kleiner Junge beneidete ich oft die Mädchen um ihre Röcke, und das hat sich in meinen bisherigen 34 Lebensjahren erst jetzt geändert. Ich sah an warmen Tagen, wie der Wind den Stoff der Röcke bewegte und wußte von mehr oder weniger heimlichen Experimenten, wie angenehm dieses Gefühl an den Beinen und im Schritt ist. Hosen waren mir so ab 20°C einfach zu warm, und auch kurze Hosen packten Gesäß und Schritt so windelmäßig ein, daß es oft unangenehm war. Zudem gefielen mir Röcke auch optisch sehr gut, und eine gewisse erotische Komponente kann ich keinesfalls verneinen. 1986 konnte ich in Sri Lanka erstmals öffentlich und ohne Angst zu haben, schief angesehen zu werden, einen Rock tragen, und zwar einen dort üblichen Sarong. Ach wie herrlich war das! Aber wieder zu Hause in good old Germany beschränkte ich das Röcketragen auf die eigenen vier Wände. Ich hatte nicht den Mut, den Sarong oder einen anderen Rock draußen zu tragen, denn ich, der ich nunmal heterosexuell und mit meinem männlichen Geschlecht durchaus zufrieden bin, wollte nicht als Transvestit, Transsexueller oder Schwuler abgestempelt werden, denn trotz Christopher Street Day Parade, trotz Mary und trotz dänischen und Hamburger Ehegesetzen sind diese Menschen vom Otto-Normal-Bürger nicht voll akzeptiert, ich aber wollte voll akzeptiert sein.

Nun ergab es sich im Mai dieses Jahres (1999), daß ich mal wieder neidisch auf die Frauen war und auf der Suche nach Abhilfe mal "Männer Röcke" in die MetaGer-Suchmaschine im Internet eingab. Und ich wurde fündig: Ich gebe die Adressen unten an, sage hier nur, daß ich auf eine Bewegung stieß, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Röcke für Jungen und Männer wieder gesellschaftsfähig zu machen. Ich traf auf Männer, die seit Jahren öffentlich Röcke tragen und von hauptsächlich positiver Resonanz berichteten. Ich traf auf Männer, die gerne würden, sich aber nicht trauten, so wie mich. Ich traf auf viele gute Argumente, auch auf welche dagegen, die mir aber unsachlich vorkamen, und vor allem traf ich auf Vorbilder, denen ich nicht nachstehen wollte. So wagte ich eines Tages einen Gang zum Briefkasten im Rock und etwas später einen großen Spaziergang, dann immer mehr und immer öfter und genoß die Luft und die Bewegung des Stoffes um die Beine herum, genoß auch das Erstarken meines Selbstvertrauens und nicht zuletzt genoß ich begeisterte und gutheißende Worte, vor allem von Frauen. Negative Reaktionen hielten sich wirklich in Grenzen, und beruhten doch immer auf einem Mißverstehen der Botschaft, die ich durch meinen Rock verkündete. Die meisten Leute reagierten eher gar nicht oder so, daß ich es nicht merkte. Die lieben Mitmenschen sind eben doch nicht so verbohrt und intolerant, wie man es ihnen oft zutraut. Und wenn mich mal einer für schwul hält, ist mir das auch ziemlich egal, denn erstens habe ich nichts gegen Schwule und zweitens bin ich glücklich verheiratet, und meine Frau weiß es ja besser. Und einmal war ich zum Thema "Männerrock" bei RTL zu einem Casting für Moderatorinnenbewerberinnen der Show "Mein Morgen" eingeladen, denen ich vor der Camera im Rock als Interviewpartner zur Verfügung stehen und ein paar vordergründige und oberflächliche Fragen beantworten mußte: "Wie fühlt man sich darin? Was trägt man(n) darunter? Was sagen die Leute?"

Welche sind nun die Anliegen, Ziele und Motivationen der Männerrockbewegung?

Die erste Motivation ist die, daß wir gerne die Möglichkeit haben möchten, auch mal luftigeres und bequemeres als Hosen zu tragen. Die zweite Motivation – welche mich persönlich nicht so sehr bewegt, aber ich schreibe hier nicht nur für mich – ist die, daß vielen von uns die herkömmliche Herrengarderobe zu langweilig ist. Viele Männer entwickelten ein ganz anderes Auge für Kleidung und Mode, seit dem sie mit dem Röcketragen anfingen und achten viel mehr auf ihr Aussehen als vorher. Die dritte Motivation ist eine intensivere Art der Selbstbestimmung. Wir wollen uns nicht vorschreiben lassen, was wir zu denken, zu sagen, zu schreiben oder zu tragen haben. Unsere Bewegung richtet sich gegen Uniformierung, gegen Konventionszwang, gegen Normenfixierung und statt dessen für Individualität, für Eigenverantwortung, für sozialverträglichen, ja das Zusammenleben fördernden Eigensinn. Wer jetzt noch auf unsern Zug aufspringt, bevor das Röcketragen für Männer normal ist - was in nicht allzuferner Zukunft der Fall sein wird, wenn das so weiter geht und unser eigentliches Hauptziel ist -, hat zudem die Chance, Pionierarbeit zu leisten und die eigene Feigheit vor der Meinung "der Leute" zu überwinden und zu tun, was er für richtig hält, ungeachtet des Herdentriebes, der wohl auch in jedem von uns steckt. Es geht nicht darum, Thermometer zu sein, sondern Thermostat, nicht darum, sein Fähnchen in den Wind zu strecken, sondern einen Ventilator aufzustellen. Man könnte auch sagen, man kann hier wahrhaft Mann werden, mutig, selbstbewußt, autonom, aber das klingt doch so, als könnten Frauen das nicht auch sein. Lieber sage ich, hier kann man wahrhaft Mensch werden. Eine vierte Motivation ist der Spaß daran, Grenzen zu überschreiten, Grenzen der Konvention, Grenzen der geschlechtlichen Rollenverteilung. Erotische Stimulierungen dabei werden nicht ausgeschlossen, sind aber auch nicht zwangsläufig damit verbunden. Müssen denn Männer Krieger sein oder "graue Männer", die nichts anderes im Sinn haben als Konkurrenzkampf und Kommerz? Eine fünfte Motivation ist die, die Emanzipationsbewegung weiter zu führen, und zwar im Sinne der Männer in schon beschriebener Weise, aber auch im Sinne der Frauen, denn es geht darum, ein Symbol männlicher Macht – die Hose – zu einem einfachen, von beiden Geschlechtern tragbaren Kleidungsstück zu degradieren – was die Frauen schon größtenteils geschafft haben - und ein Symbol weiblicher Sonderstellung - den Rock – zu einem allgemeinmenschlichen, nichtsexistischen Kleidungsstück zu erheben. Bei den Symbolen darf es natürlich nicht bleiben, sonst ist es Fassadenputz statt Grundsteinlegung, aber eine Frau meinte mal, sie komme sich im Rock unter Männern in Röcken gleichberechtigter vor, und eine andere meinte, wenn behaarte Männerbeine in Röcken akzeptiert werden, dann würden vielleicht auch die Frauen mal von dem Zwang befreit, sich zum Gefallen der Männer die Beine rasieren zu müssen.

Mittlerweile bieten nicht mehr nur extravagante Modedesigner und einzelne Schneider/-innen Männerröcke an, sondern H&M und Strauss Inovation verkaufen die ersten Männerröcke von der Stange. Freilich ist die Auswahl an Modellen noch recht bescheiden, aber wer nicht unbedingt das Präfix "Herren-" vor seinem Rock braucht, kann auch in der Damenabteilung fündig werden, wie ja auch Damen Herrenkleidung tragen, wenn ihnen danach ist. Es sollte letztlich nur der eigene Geschmack entscheiden, welche Länge, welchen Schnitt, welchen Stoff, welche Farbe, welches Muster usw. man wählt. Es gibt genug Röcke, die nicht die weiblichen Kurven betonen und somit als unisex eingestuft werden können. Ob man Blumenmuster als weiblich ansieht, ist Ansichtssache. In Samoa z.B. tragen Männer sehr wohl Röcke mit Blumenmuster, in Indonesien dagegen überläßt man diese den Frauen, und Mann trägt karierte und gestreifte Röcke. Darunter kann ebenfalls jeder tragen was er will: kurze oder lange oder gar keine Unterhosen oder Strumpfhosen oder sonst was. Ich bin nun wahrhaft kein Fan der Techno-Musik, sondern ein begeisterter Folkie - und als solcher weiß ich, daß die Kelten auf musikalischem Gebiet alles andere als Barbaren sind -, aber die Liebhaber dieser für meine Ohren eintönigen Musikrichtung gehen in Sachen Männerröcke als gute Beispiele voran, wie man auf den Love Parades immer wieder sieht.

Meine Antwort auf die zweite Frage ist also ein ganz klares Nein! Es muß nicht so bleiben, daß wir Männer in die Hosen gezwungen werden.

Jetzt habe ich genug geschrieben, gebe aber noch Tips zum Weiterlesen für solche, die wißbegierig genug oder gar rockbegierig geworden sind. Wer mich im Rock – oder auch in der Hose, denn im Dienst und wenn’s mir zu kalt ist trage ich auch Hosen gerne – sieht, kann mich gerne ansprechen und weiter befragen, aber Vorsicht, ich bin nicht der einzige berockte Mann in Bonn. Doch die anderen sind bestimmt auch ansprechbar.


 
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Nachtrag März 2002: Den obigen Essay schrieb ich vor mittlerweile über zwei Jahren für die Internet-Zeitschrift "Anthroponauten" (http://home.t-online.de/home/larslange/homepage.htm). In der Zwischenzeit ging die Verbreitung des Rockes für Männer langsamer vonstatten als erhofft. Bei den meisten sind die Kleidungsgewohnheiten wohl doch zu festgefahren. Was mich persönlich anbelangt, so ist der Rock indes auch außerhalb des Privaten, also auch zu beruflichen Gelegenheiten ein normales Kleidungsstück geworden, ähnlich wie bei Ferdi. Ob ich nun in "meinem" Seminar in der Uni arbeite oder auf Tagungen Vorträge halte, so entscheide ich (fast) nur noch nach der Temperatur und der Praktikabilität, ob ich Hose oder Rock anziehe. Nun mögen andere Arbeitsverhältnisse engstirniger sein, aber grundsätzlich ist der Rock wieder gesellschaftsfähig geworden. Langsam aber sicher spricht sich das rum. Ich kann nur weiter dazu aufrufen: Männer, nehmt Euch die Freiheit! Ihr schadet niemandem damit und nützt vielen!

 

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Zum Weiterlesen:

Zeitschriftenartikel:

  •  
  • Heike Talkenberger, Frauen in Männerkleidern: "Denn jeder, der solches tut, ist Jahwe ein Greuel", in: Damals, Das aktuelle Magazin für Geschichte und Kultur, 8/98, S. 42-46.
  •  
  • Roman Sansgruber, Geschichte eines Kleidungsstücks: Der Mann und seine Hose, in: Damals, 9/98, S. 36-42.

 
Und nun muß noch unser Slogan kommen: Männer traut Euch, tragt Röcke!

 

 

Michael A. Schmiedel


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